Offener Brief an den Berner Regierungsrat

Bern, 18.11.2020

Sehr geehrter Herr Regierungspräsident Pierre Alain Schnegg

Sehr geehrte Frau Regierungsrätin Christine Häsler

Aufgrund der Tragweite und der Dringlichkeit der aktuellen Situation für die Kunstschaffenden im Kanton Bern wendet sich der Verein Basis Kunst und Bau mit folgendem offenen Brief an Sie. Wir engagieren uns durch eigene Produktion und Vermittlung für gute Rahmenbedingungen für Berner Kunstschaffende.

Die grösste Wahl der Regierungen in Zeiten von Covid-19, eine Wahl die zutiefst trennt, sei die Wahl zwischen Gemeinschaft und Geschäft, so die Schauspielerin Cate Blanchett in ihrem Beitrag im eben erschienenen Buch Upturn: A Better Normal After Covid-19. Wie das Leben selbst könne Kunst auch ein Geschäft sein. Aber wie das Leben sei auch Kunst nicht nur Business – und um diesen bedrohten Raum, in welchem es nicht nur ums Geld gehe, zu schützen, seien Regierungen da.

Als Berner Gesamtregierungsrat verlangen Sie richtig, dass alle bei der Bewältigung von Covid-19 mithelfen, um einen erneuten Lockdown zu vermeiden. Konkret: freiwilliges Homeoffice und Tragen von Masken am Arbeitsplatz; beschränkte Kundenzahlen in Läden und erweiterte Maskenpflicht in anliegenden Aussenräumen; sofortiger Lockdown öffentlicher Einrichtungen wie Kinos, Museen, Bibliotheken, Theater.  Geschäft und Gemeinschaft, Wirtschaft und Kultur sind getrennt: moderate Einschränkungen hier, harte Schliessung dort.

Jedoch: Es ist der Kultur unserer Gemeinschaft zu verdanken (und nicht dem Verfolgen privater Geschäftsinteressen), dass wir in der Lage sind, Herausforderungen wie Covid-19 zu meistern. Diese Kultur, die wir als Gemeinschaft teilen ob links oder rechts, progressiv oder konservativ, liberal oder restriktiv, ist nicht einfach vorhanden. Sie entsteht durch Kunst, durch Klänge, Bilder, Worte, Gesten unter anderem in Museen, Kinos, Theatern; in Sportclubs und Jodelvereinen, Verwaltungsräten und Regierungen. Diese Kultur verbindet, stellt Gemeinschaft und Sinnzusammenhänge her, macht widerstandsfähig.

Die versprochenen finanziellen Entschädigungen für die Kunst sind nur auf den ersten Blick rühmlich. Auch wenn unbeabsichtigt: die Ungleichbehandlung der Kunst, ihre Stilllegung während Kommerzielles weiterläuft, erzeugt eine durch Geld nicht zu kompensierende Geringschätzung der Rolle der Kultur in unserer Gemeinschaft.

Die verhängten Massnahmen zeugen von grundsätzlichem Unverständnis der Wurzeln unserer Resilienz. Die Entscheidungen der Regierung sind kulturell, ignorieren aber die eigene Kultur. Indem wir die Kultur aufgeben und uns dem wirtschaftlichen und technischen Imperativ unterwerfen, haben wir unsere Beziehung zu unserer Umgebung verloren und verlieren unsere Menschlichkeit und Zukunft! Eine demokratische Gemeinschaft, die in der Lage ist, Herausforderungen wie Covid-19 zu begegnen, kann ohne Kunst nicht entstehen und überleben.

Wir bitten deshalb, die Trennung zwischen Gemeinschaft und Geschäft ab dem 25. November 2020 wieder aufzuheben. Nur durch ein aktives, wenn auch eingeschränktes öffentliches Kulturleben können Kunstschaffende ihren momentan dringend benötigten Beitrag an die Kultur unserer Gemeinschaft leisten. Öffnen Sie Kinos, Museen, Bibliotheken, Theater — mit den notwendigen Vorsichtsmassnahmen. Denn in schwierigen Zeiten muss das oberste Kriterium für alle Massnahmen zum Schutz der Gemeinschaft der Erhalt dieser Gemeinschaft sein.

Wir bitten Sie, unser Anliegen eingehend und wohlwollend zu prüfen.

Hochachtungsvoll

Ronny Hardliz, Präsident Verein Basis Kunst und Bau

Schreibe einen Kommentar